Interview


Interview mit Uwe Schomburg


Quelle: autorenforum.de Zeitschrift Tempest, Ausgabe 9-01 (20. Januar 2007)



"Entscheidend ist, den Zug zu besteigen"

Manuela Tengler: Der Thriller gilt nach wie vor als eine Domäne der Männer. Wie denken Sie darüber?


Uwe Schomburg: Das scheint so zu sein, wenn man in den Buchhandlungen die Namen der Autoren von Thrillern liest. Aber wer weiß schon, was an guten Manuskripten dieses Genres nie veröffentlicht wurde/wird, weil gesagt wird: "Thriller von Frauen gehen nicht." Bis vor kurzem – so meine Erfahrung – hieß es ja auch: "Thriller von deutschen Autoren gehen nicht." Andererseits werden die meisten Bücher angeblich von Frauen gekauft. Da stellt sich die spannende Frage, wie ist das mit den Thrillern auf der Leserseite?


MT: Wie kamen Sie zum Schreiben? Gab es den Wunsch, bessere Bücher zu schreiben, eigene Ideen zu verwirklichen oder ...?


US: Zu schreiben ist ein Wunsch, den ich seit meiner Jugend hege. Ich habe viel gelesen und träumte davon, auch mit spannenden Geschichten zu unterhalten. Irgendwann um das achtzehnte Lebensjahr herum habe ich angefangen, selbst erste Texte zu schreiben. Einfach nur Szenen. Anfang der Achtziger habe ich dann im Fernstudium einen Schreibkurs in Belletristik belegt, weil ich merkte, dass mir vieles zum Schreiben fehlte. Der Kurs hat mir gut getan, ich begann Kurzgeschichten zu schreiben, und bis Ende der Achtziger hatte ich mein erstes Thrillermanuskript fertig, das auch beinahe, aber eben nur beinahe veröffentlicht wurde. Der Frust war groß, und ich trug einen Traum zu Grabe, schrieb weiter humoristische Kurzgeschichten für die Schublade.


Aber Totgesagte leben länger. So auch mein Traum. Es juckte immer wieder in den Fingern. Mitte bis Ende der Neunziger versuchte ich, Kurzgeschichten unterzubringen, aber die angeschriebenen Verlage sagten: "Kurzgeschichten von einem unbekannten Autor gehen nicht." Das war der Anstoß, es doch noch einmal mit einem Thrillermanuskript zu versuchen. Und im Frühsommer 2000 hatte ich dann auch die aus meiner Sicht zündende Idee. Und da ich just in diesem Moment bei einem Schreibwettbewerb mit einer Kurzgeschichte zu den Gewinnern gehörte, war das Feuer erneut richtig entfacht.


MT: In Ihrem Debüt "Die Siriusverschwörung" vermischen Sie den Kult der Mayas mit der aktuellen Geschichte der Vereinigten Staaten. Warum diese Vermischung– und wie kamen Sie darauf, die Geschichte in den Staaten spielen zu lassen?


US: Es gibt da viele Facetten. Ich suchte einen Stoff und las Zeitungsberichte über die letzte Clinton-Reise nach Europa, deren Sinn hinterfragt wurde, und in diesem Zusammenhang die ungewöhnlichen Meldungen aus Moskau, dass Russland den Aufbau des Raketenabwehrschirmes der USA unterstützen wolle - vollkommen unverständlich, nachdem Russland zwanzig Jahre dagegen angekämpft hatte. Ich stellte mir die Frage: Was für einen Grund könnte es geben, welche Gefahr könnte so groß erscheinen, dass die beiden ehemaligen Feinde hier plötzlich zusammenarbeiten wollen? Damit war die Idee der "fremden Intelligenz" geboren, und die Story entwickelte sich.


Meine Grundüberlegung war, diese "heikle" Thematik durch möglichst viele Fakten, auch wenn sie von mir umzudeuten waren, plausibel zu gestalten. Dazu benötigte die Geschichte einen zeitlichen Rahmen, der in der Zukunft einen zu begrenzenden Fixpunkt hatte, auf den das Geschehen des Jahres 2000 und der Zeit davor ausgerichtet war. Dieser durfte nicht zu weit in der Zukunft liegen, sondern musste plausibel in die Handlung passen. Und damit war ich schnell bei den Mayas und ihrem Kalender. Bei den Recherchen staunte ich, was an Informationen zusammenkam. Sehr schnell klar war aber auch, dass mit der Ausgangsidee "Raketenabwehrschirm" wesentliche Teile in den USA spielen mussten. Und für den Schluss ... wo auf der Welt gibt es einen attraktiveren Ort als den von mir gewählten? Der liegt nun mal in den Vereinigten Staaten.


MT: Haben Sie den amerikanischen Kontinent für weitere Bücher im Sinn, oder können Sie sich vorstellen, Ihre Charaktere auch auf deutschem Boden agieren zu lassen?


US: Nun, zunächst einmal spielen ja wesentliche Teile des Buches in Europa, ganz besonders auch in Berlin und Umgebung sowie in Zürich. Was die Zukunft bringt, kann ich einfach nicht sagen. Aus meiner Sicht bestimmen Stoff, die zu erzählende Geschichte und Personen ganz wesentlich die Orte der Handlung. Mein neues Romanmanuskript, an dem ich gerade arbeite, hat seine Handlungsschauplätze ganz überwiegend in Europa.


MT: Sie haben vier Jahre lang für dieses Buch recherchiert. Wann begannen Sie an dem Buch zu schreiben? Wie lange brauchten Sie dafür?


US: Ich hatte bereits vor der dann umgesetzten Idee aus dem Frühsommer 2000 zu dem Thema ganz ungezielt recherchiert und Stoff gesammelt, ohne zu wissen, was ich damit anfange. Recherchieren und Schreiben verliefen ab Sommer 2000 dann weitestgehend parallel. Im Sommer 2000 begann ich mit dem Schreiben, und über verschiedene Entwürfe war dann im Jahr 2004 die Fassung fertig, die vom Verlag angenommen wurde. Da gab es aber auch Phasen, wo ich kein Wort zustande gebracht habe. Ehrlich gesagt, ich habe nicht wirklich daran geglaubt (aber gehofft!), dass das Manuskript irgendwann einmal als Buch erscheinen würde.


MT: Unsere Leser sind natürlich interessiert, zu erfahren, wie Sie zu einem Vertrag mit Bastei Lübbe gekommen sind. Erzählen Sie uns darüber: Welche Erfahrungen haben Sie mit einem großen, bekannten Verlag wie Lübbe gemacht?


US: Ich habe 2004 dreizehn Verlage angeschrieben. Verlag Nr. 13 war Lübbe. Mal schickte ich das ganze Manuskript mit, mal nur eine Leseprobe von rund siebzig Seiten mit einem Erläuterungsteil, worum es in dem Manuskript ging, wie die Handlungsstränge aufgebaut sind, die Hintergründe etc. Ich landete wie fast alle unbekannten Autoren auf dem Stapel der "unverlangt eingesandten Manuskripte". Die letzten freundlichen Absagen bekam ich im Herbst 2005, als ich schon längst von Lübbe meine Zusage zur Veröffentlichung hatte.


Bei Lübbe war die Auszubildende Frau Ela Heine 2004 beauftragt, Absagen zu schreiben. Sie las meinen Text und ging damit zur Lektorin Nicola Bartels, um ihr zu sagen, da könne man keine Absage schreiben. Frau Bartels las die Textprobe und rief mich im Sommer an, um das ganze Manuskript anzufordern. Dann vergingen Monate. Im November oder Dezember 2004 war ich etwa 50 km von Erfurt in Oberspier (Ortsteil von Sondershausen) in den thüringischen Weiten zu einer Betriebsversammlung unterwegs. Es wurde gerade dunkel, und ich hielt vor dem Gasthof "Zur Sonne" an der Bundesstraße 4. Das gelbliche Neonschild über dem Eingang kam kaum gegen den starken Nebel an. Das Telefon klingelte, und die Lektorin Nicola Bartels vom Lübbe-Verlag sagte mir, dass Lübbe das Buch machen würde. So war das.


MT: Wie gestaltete sich die Nacharbeit zur "Siriusverschwörung" wie Lektorat, Presseinformationen und Interviews? Wie sieht Ihr Alltag nach dem Erscheinen des Buches aus?


US: Das Lektorat war eine sehr lehrreiche Erfahrung für mich. Es hat Schwächen aufgedeckt, und ich glaube, das Manuskript ist noch einmal besser geworden. Ich bin den Empfehlungen der Lektorin Angela Kuepper meistens gefolgt. Manchmal aber auch nicht. Es war noch einmal eine intensive Zeit der Bearbeitung, des Hinterfragens und des Diskutierens.


Für mich als Neuling waren Presseinformationen und Interviews bisher keine herausgehobenen Themen. Das mag daran liegen, dass Taschenbücher ohnehin nicht die Aufmerksamkeit in der Presse finden und es bei der Masse der Neuerscheinungen sehr schwer ist, entsprechende Aufmerksamkeit zu erregen. Die Pressearbeit ist vom Verlag umgesetzt worden. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind rund vierhundert Exemplare an Medien in Deutschland, österreich, der Schweiz und Luxemburg versandt worden. Es wurden Vorableseexemplare für die Buchhändler gedruckt, und das Buch wurde in dem monatlichen "Lübbe-news" für die Buchhändler als Buch des Monats mit einer Farbseite beworben. Zudem stand es auf der Internetseite des Verlags für vier Wochen als Buch des Monats.


Zunächst einmal war alles für mich und meine Frau ein herrliches Abenteuer mit neuen und schönen Erfahrungen. Und ich freue mich immer, wenn mich z. B. über meine Internetseite Leserreaktionen erreichen. Die entscheidende Veränderung ist beim Schreiben eingetreten. Nach diesem glücklichen Einstieg sollen nun auch weitere Bücher folgen. Das bedeutet: Die knappe Zeit muss noch konsequenter zwischen Beruf, Familie, privaten Engagements und Schreiben aufgeteilt werden. Ich gebe gerne zu: Ohne das Verständnis meiner Familie wäre mein Schreiben nicht möglich. Ich mute ihr ziemlich viel zu, gerade meiner Frau. Deshalb auch hier ganz öffentlich Dank für ihr Verständnis.


MT: Sie haben sich auch Ihren Lesern gestellt und an einer Leserunde bei den Büchereulen teilgenommen [ein Onlineforum, in dem sich Leser über Bücher austauschen]. Wie haben Sie sich dabei als Autor erlebt? Und welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?


US: Die Initiative ging von den "Büchereulen" aus, die einfach angefragt haben, ob ich das mache. Zunächst habe ich gezögert, aber dann fand ich das toll. Spannend war, wie tief sich die Leser in den Stoff gewühlt haben, wie sie Details und Konstruktion hinterfragt haben. Ich habe viel gelernt dabei und war für jeden Hinweis dankbar, um es künftig besser zu machen. An manchen Kritiken habe ich "gekaut", aber auch das gehört dazu. Die weit überwiegend positiven Reaktionen haben mich natürlich gefreut. Ich würde es jederzeit wieder machen, weil es eine schnelle und komprimierte Reflexion der Leser ist.


MT: Wie vereinbaren Sie das Schreiben mit privaten Verpflichtungen? Sind Sie inzwischen hauptberuflich Autor, oder teilen Sie sich?


US: Schreiben ist Hobby. Zwar ist "Die Sirius-Verschwörung" bei Bastei-Lübbe seit mehreren Monaten eines der zwanzig meist verkauften Taschenbüchern (Stand Dezember 2006; siehe das Chart auf der Internetseite unter Bastei-Lübbe), aber dieser Achtungserfolg reicht nicht, um davon leben zu können. Ich werde mich wohl weiter teilen müssen.


MT: Jeder Autor entwickelt seine speziellen Rituale und Arbeitsgewohnheiten. Wie sehen diese bei Ihnen aus?


US: Ich versuche, jeden Abend zumindest ein paar Zeilen zu schreiben oder zu überarbeiten. Das geht etwa von zehn oder elf Uhr bis Mitternacht bzw. ein Uhr. Ich versuche so aufzuhören, dass ich weiß, wie es am nächsten Abend weitergeht. Natürlich gibt es Zeiten mit furchtbaren Hängern. Dann überarbeite ich, nehme sozusagen einen neuen Anlauf. Wenn es partout nicht weitergeht, weiß ich, ich habe mich verrannt, es müssen neue Ideen her. Und manche Ideen brauchen Zeit zum Reifen. Viele Ideen entstehen beim Schreiben, müssen dann erst recherchiert und ausgearbeitet werden.


MT: Sie sind ohne Agent tätig. Ist es für Sie vorstellbar, demnächst mit einem Agenten zu arbeiten? Was spricht für Sie dafür, was dagegen?


US: Natürlich kann ich mir vorstellen, mit Agenten zusammenzuarbeiten. Die kennen den Markt sehr genau und kennen die Verlage sehr gut, können sich aber auch irren. Bei der "Sirius-Verschwörung" habe ich bei zwei Agenturen versucht, das Buch unterzubringen. Womöglich waren es die falschen Agenturen, oder das Manuskript war noch nicht reif genug. Jedenfalls kam es zu keiner Zusammenarbeit. Die eine Agentur sagte ganz klar, dass deutsche Thrillerautoren bei den Verlagen nicht durchzubringen seien. Der Stoff sei spannend umgesetzt, und wenn ich Amerikaner wäre, würde es auch ein Erfolg werden – aber so ... Da habe ich eben das Manuskript selbst verschickt und hatte das Glück, dass eine aufmerksame Auszubildende und eine wache Lektorin sich Zeit nahmen und die Mühe machten, zunächst einmal zu lesen, was da ins Haus geflattert war.


MT: Nach dem Jahreswechsel werden viele neue Vorsätze gefasst. Was haben Sie sich vorgenommen? Und was können Ihre Leser als Nächstes von Ihnen erwarten?


US: Ich will ganz schnell mein zweites Manuskript fertig schreiben. Die letzten Kapitel warten. Dann muss das Manuskript den Verlag überzeugen und dann – tja, eine neue Idee für ein weiteres Buch ausbrüten. über das aktuelle Manuskript möchte ich noch nichts verraten außer: Ich glaube, es ist spannend und wird gut unterhalten.


MT: Stellen Sie sich vor, der Strom fällt aus. Was tut Uwe Schomburg, wenn er nicht am PC sitzt und schreibt?


US: Da ist ja immer noch eine Familie mit Frau, Tochter und Sohn, die eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Außerdem engagiere ich mich in meiner Gemeinde als parteiloser Gemeindevertreter. Und es gibt so viele gute und spannende Bücher, auch Thriller, aber nicht nur. Und wenn es spät ist, die Familie schläft und der Strom fällt aus – dann gehe ich mit der Taschenlampe zum Sicherungskasten ...


MT: Und zum Schluss: Welchen besonderen Tipp haben Sie für unsere LeserInnen?


US: Wenn Sie selbst gern schreiben und veröffentlicht werden wollen: Nie den Mut verlieren und sich nicht beirren lassen, egal wie lange es dauert und wie frustrierend Absagen auch sein mögen. Entscheidend ist, den Zug zu besteigen. Denn wenn man diesen ersten Schritt, zu schreiben, nicht macht, kann man auch nicht ans Ziel der Veröffentlichung kommen.


MT: Herzlichen Dank für das Interview!